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Kaffee aus Kanne in Becher eingießen

Ausbildungsfremde Tätigkeiten im Visier

Die Currywurst für Kollegen beim Imbiss nebenan abholen, das Auto der Chefin putzen oder Kaffee kochen: Immer wieder werden unbeliebte Tätigkeiten wie diese den Auszubildenden aufgebrummt – und das, obwohl sie dem Ausbildungsinhalt des Berufs nicht entsprechen. Während der Corona-Pandemie hat sich der Anteil dieser ausbildungsfremden Tätigkeiten sogar verdoppelt.

Das ist ein Ergebnis der Corona-Ausbildungsstudie 2021 der DGB-Jugend. Mehr als ein Viertel (26,3 Prozent) der Auszubildenden berichtet darin, dass sie immer (9,3 Prozent) oder häufig (17 Prozent) Tätigkeiten verrichten müssen, die nicht in ihrem Ausbildungsrahmenplan stehen. In kleineren Betrieben (fünf bis zehn Beschäftigte) ist das Problem der ausbildungsfremden Tätigkeiten ausgeprägter. Dort berichten 35,5 Prozent der Auszubildenden davon.

Immer wieder – und seit Corona noch mal verstärkt – müssen sich Jugend- und Auszubildendenvertretungen (JAV) in Betrieben und Personalstellen aktiv dafür einsetzen, dass Auszubildende in ihrer Ausbildungszeit lernen können und nicht als preiswerte Arbeitskräfte eingesetzt werden. Neben Kaffeekochen und Co. wurden Auszubildende während der Pandemie auch als vollwertige Arbeitskräfte eingesetzt, um den bestehenden Personalmangel durch erkrankte Beschäftigte auszugleichen oder für die Besucher*innenkontrolle und Gepäckannahme eingeteilt, wie der KJAV-Vorsitzende eines Klinkkonzerns berichtet ("Wir haben ordentlich zu tun": JAVi Nico arbeitet im Krankenhaus). 

Was hat die JAV damit zu tun?
Aufgabe der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) ist es, darüber zu wachen, dass das Verbot von ausbildungsfremden Tätigkeiten auch wirklich eingehalten wird. So steht es im Betriebsverfassungsgesetz (§ 70 (1) Nr. 2) und im Bundespersonalvertretungsgesetz (§ 103 Nr. 2). Solltet ihr zum Beispiel in eurer Sprechstunde, während einer Ausbildungsplatzbegehung oder auf eurer JA-Versammlung auf ausbildungsfremde Tätigkeiten aufmerksam werden, müsst ihr unverzüglich mit eurem Betriebs- oder Personalrat Kontakt aufnehmen, ihn über die Missstände informieren und darauf drängen, dass diese beseitigt werden. Auch ver.di steht euch mit Rat und Tat zur Seite. Scheut euch nicht, Kontakt zu eurer ver.di vor Ort aufzunehmen.

Wann sind Tätigkeiten ausbildungsfremd?
Auch die Pandemie gibt Arbeitgebern nicht das Recht, Auszubildende zum Kaffeekochen oder Büroreinigen abzukommandieren. Auch Urlaubs- oder Krankheitsvertretungen (oder der Ausgleich von Kolleg*innen in Kurzarbeit), wie sie seit der Corona-Pandemie häufig der Fall sind, sind nicht erlaubt. Denn die durch Corona veränderte Situation hat keinen Einfluss auf das Direktionsrecht des Arbeitgebers. Das heißt: Auszubildenden dürfen nur Tätigkeiten zugewiesen werden, die dem Ausbildungszweck dienen und in die Ausbildung eingebettet sind. Das legt § 14 (2) des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) eindeutig fest. Dem „Ausbildungszweck dienen“ bedeutet dabei, dass die Tätigkeiten zur Vermittlung von beruflichen Kenntnissen und Fertigkeiten erforderlich sind. Was genau darunter zu verstehen ist, ist detailliert im jeweiligen Ausbildungsrahmenplan beschrieben. Private Besorgungen für den Chef oder die Chefin dienen dem Ausbildungszweck ebenso wenig wie Akkord- und Fließbandarbeit, Wiederholen von Arbeiten oder regelmäßiges Saubermachen von Werkstätten und Büros, es sei denn, es handelt sich um den eigenen Arbeitsplatz oder das eigene Werkzeug.

Mit dem Verbot von ausbildungsfremden Tätigkeiten möchte der Gesetzgeber verhindern, dass Auszubildende als billige Arbeitskräfte missbraucht werden. Aber nicht alle unliebsamen Tätigkeiten sind auch wirklich ausbildungsfremd. Ablage- und Kopierarbeiten zum Beispiel zählen nicht unbedingt zu den Top 10 der beliebtesten Aufgaben, bei denen Auszubildende „hurra“ rufen. Zu einer kaufmännischen Ausbildung gehören sie aber zweifelsfrei dazu. Dominiert das Kopiererbedienen und Sortieren von Unterlagen jedoch den Arbeitsalltag der Auszubildenden, oder wenn sie ausschließlich damit beauftragt werden, dienen diese Tätigkeiten nicht mehr dem Ausbildungszweck und gelten dann als ausbildungsfremd. Dagegen sollten sie sich wehren.

Manchmal ist aber auch ein bisschen Fingerspitzengefühl gefragt. Wechseln sich alle Beschäftigten mit dem Kaffeekochen oder Brötchenholen ab, ist es für den kollegialen Frieden sicherlich von Vorteil, nicht sofort zu intervenieren und auf den Ausbildungsrahmenplan zu verweisen. Nur wenn solche Tätigkeiten ständig oder ausschließlich auf die Auszubildenden abgewälzt werden, besteht Handlungsbedarf und ihr als JAVen solltet aktiv werden.

Außerdem solltet ihr eure Auszubildenden auch regelmäßig auf die Wichtigkeit eines sorgsam geführten Berichtshefts hinweisen. In ihren Ausbildungsnachweis müssen die Auszubildenden auch Kaffeekochen und Co., also alle ausbildungsfremden Tätigkeiten eintragen und sie von ihrer Ausbilderkraft abzeichnen lassen. Damit lassen sich im Zweifelsfall nicht nur Ausbildungspläne und Realität vergleichen, das Berichtsheft dient auch als gutes Beweismittel, um dagegen vorzugehen.   

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