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Schreibtischarbeitsplatz mit Schreibblock, Laptop und Menschen

Außer- und Überbetriebliche Ausbildung

Die Ausbildungslandschaft in Deutschland ist bunt, so bunt, dass es manchmal schwierig ist den Überblick zu behalten.

Denn oft findet eine Ausbildung nicht nur in einem Betrieb und der Schule statt, sondern in Kooperationsbetrieben, Ausbildungsstätten, durch Lehrgänge und vieles mehr.
Kompliziert für die Interessenvertretung, denn es ist nicht immer klar, wo Zuständigkeiten liegen und wer überhaupt wahlberechtigt ist.
Aber die gute Nachricht ist: Wenn Ihr euch einmal damit auseinandergesetzt habt, welche Form der Interessenvertretung möglich ist für wen Ihr eigentlich alles zuständig seid, geht die Arbeit sofort leichter von der Hand!

Die häufigste Form der Ausbildung in Deutschland ist eine betriebliche duale Ausbildung, bei der der praktische Teil der Ausbildung in einem Betrieb und die theoretische Ausbildung in einer Berufsschule stattfindet. Immer relevanter wird außerdem das duale Studium, bei dem die fachliche Qualifizierung in einer Hochschule stattfindet. 

Weniger geläufig aber trotzdem oft vertreten, sind hingegen die außerbetriebliche und die überbetriebliche Ausbildung, die an verschiedenen Ausbildungsorten stattfinden kann.

Und übrigens: Neu im BBiG seit August 2022 ist, dass alle Ausbildungsorte im Ausbildungsvertrag festgehalten werden müssen. Dies wurde im Zuge der Gesetzesänderungen zur Umsetzung der EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union ergänzt.

Außerbetriebliche Ausbildung:

Wie der Name schon vermuten lässt, findet diese Ausbildungsform außerhalb eines Betriebes statt. Denn hier wird der Ausbildungsvertrag mit einem Bildungsträger geschlossen, der den Betrieb ersetzt. Die Träger sind dann entweder kommerziell, frei oder staatlich gefördert. Die gesetzliche Grundlage hierfür findet Ihr in § 2 BBiG.

Hierbei gibt es zum einen die theoretische Qualifizierung in den Bildungseinrichtungen. Zum andern werden praktische Einheiten beispielsweise durch Bildungswerke oder Praktika bei Kooperationspartnern oder anderen Unternehmen durchgeführt.

Das Ziel sollte es immer sein, dass die Auszubildenden so schnell wie möglich in eine betriebliche Ausbildung übergeleitet werden.

So funktioniert Interessensvertretung in der außerbetrieblichen Ausbildung:

Wichtig ist hier die Unterscheidung, ob die Ausbildung nur in einem reinen Ausbildungsbetrieb bzw. Bildungswerk durchgeführt wird oder ein kooperierender Betrieb involviert ist.

Mitbestimmung auch ohne JAV - was ist wenn es keinen “Betrieb” gibt?
Auszubildende deren Ausbildung komplett in einem Bildungswerk durchgeführt werden können nach BPersVG/BetrVG keine Interessensvertretung im herkömmlichen Sinne gründen. Da sie nicht zur Belegschaft der Bildungseinrichtung gehören, sind sie hier auch nicht wahlberechtigt (§ 5 BetrVG).
Das heißt aber nicht, dass sie ihre Interessen nicht vertreten können!

So können im schulischen Teil der Ausbildung Schüler*innenvertretung gegründet werden.
Und auch in den Bildungswerk können die außerbetrieblichen Auszubildenden eine eigene Interessenvertretung (IV) nach § 51 BBiG wählen.  Die Besonderheit hier ist, dass die Interessenvertretung nicht über den Betriebsrat die Interessen der Auszubildenden vertritt, sondern direkt gegenüber der Berufsbildungseinrichtung. Unterstützend kann und sollte eine Betriebsvereinbarung getroffen werden, die die Arbeit der Interessenvertretungen regelt und ihren Handlungsrahmen definiert.

Wenn ihr also eine außerbetriebliche Ausbildung absolviert und es in eurem Bildungswerk noch keine Interessenvertretung nach § 51 BBiG gibt, dann organisiert euch und gründet selbst eine. Sucht euch im Vorfeld Unterstützung, da bisher noch keine Verordnung erlassen wurde, die explizit die Rechte und Pflichten der Interessenvertretung und die Wahl regelt. Dies kann jedoch durch Betriebsvereinbarungen geschehen. Unterstützung erhaltet ihr hierbei durch ver.di!

Die JAV im Kooperationsbetrieb - von Mitbestimmung profitieren!
Ob die außerbetrieblichen Auszubildenden für die JAV im Kooperationsbetrieb wahlberechtig sind, hängt von mehreren Faktoren ab. Checkt hier am besten den Ausbildungsvertrag, da hier der Zweck der Praktika definiert ist.
Wichtig ist, dass der kooperierende Betrieb diese Phase der Ausbildung selbst organisiert und eine Eingliederung in den Betriebsablauf geschieht.
Wenn ihr euch als JAV nicht sicher seid, ob die außerbetrieblichen Auszubildenden wahlberechtigt sind und ihr sie als JAV uneingeschränkt vertreten dürft könnt ihr euch an den BR/PR oder eure ver.di vor Ort wenden.

Überbetriebliche Ausbildung:

Wie bei der „normalen“ betrieblichen Ausbildung wird hier der Ausbildungsvertrag mit einem festen Betrieb geschlossen. Es ist also ein reguläres Ausbildungsverhältnis in dem vorher festgelegte Teile der Ausbildung nicht im eigentlichen Betrieb stattfinden. Beispielsweise, wenn der Betrieb zu klein ist oder Teile des Ausbildungsrahmenplans nicht abgedeckt werden können.

Stattdessen werden die Auszubildenden in mehr als einem Betrieb eines Unternehmens oder unternehmensübergreifend ausgebildet. Eine weitere Möglichkeit ist, dass die Kammern und Innungen überbetriebliche, berufsspezifischen Lehrgänge anbieten, um die nötigen Fähigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln. Dies ist beispielsweise geregelt in §§ 5, 10 BBiG oder §3, 26 Handwerksordnung.

So funktioniert Interessensvertretung in der überbetrieblichen Ausbildung:

Auch bei der überbetrieblichen Ausbildung gibt es verschieden Ausbildungskonstellationen die die Aufgaben und Wahlberechtigung der JAV beeinflusst.

Betriebsübergreifende Ausbildung - ein Unternehmen mit mehreren Betrieben!
Ein*e Auszubildende*r wird in mehreren Betrieben eines Unternehmens eingesetzt. Er*Sie ist in dem Betrieb wahlberechtigt, der die Ausbildung maßgeblich durchführt. Am einfachsten erkennt man das daran, wo die längste Zeit der Ausbildung verbracht wird.
Die JAV ist also auch dann zuständig wenn der*die Auszubildende eine Ausbildungseinheit in einem anderen Betrieb des Unternehmens absolviert. Haltet also Kontakt zu allen Auszubildenden auch wenn diese aktuell nicht in eurem Betrieb sind.
Innerhalb eines Unternehmens könnt ihr ebenfalls leicht Kontakt zu den JAVen der anderen Betriebe halten und euch z.B. über eine G- oder KJAV vernetzen.

Ausbildungsstätte - Unternehmenseigene Ausbildungsstätten für alle Auszubildenden!
Wenn ein Unternehmen eine überbetriebliche Ausbildungsstätte betreibt, sind die Auszubildenden dort wahlberechtigt. Falls hier noch keine JAV (oder auch AV, also Auszubildendenvertretung) existiert dann schließt euch zusammen und gründet selbst eine um eure Interessen durchzusetzen und eine gute Ausbildungsqualität zu gewährleisten. Wendet euch für Unterstützung einfach an ver.di.

Unternehmensübergreifender Ausbildungsverbund - eine Ausbildung, mehrere Unternehmen und Betriebe.
Bei einem unternehmensübergreifenden Ausbildungsverbund sind die Auszubildenden in dem Unternehmen wahlberechtigt, mit dem sie Ihren Ausbildungsvertrag geschlossen haben. Auch wenn der*die Auszubildende für eine Ausbildungseinheit in einem anderen Unternehmen eingesetzt ist, bleibt die JAV des Ausbildungsbetriebes weiterhin zuständig. Haltet also auch über Unternehmen hinweg Kontakt mit den Auszubildenden und steht ihnen als aktiven Interessensvertretung zur Seite.

JA-Versammlung für (fast) alle!
Wenn überbetriebliche Auszubildenden bei euch im Betrieb sind, dürfen sie an der JA-Versammlung teilnehmen auch wenn sie in einem anderen Betrieb wahlberechtigt sind.
Hierzu gibt es ein BAG Urteil von 2011. Das besagt, dass überbetriebliche Auszubildende dazu berechtigt sind an Betriebsversammlungen im Einsatzbetrieb teilzunehmen.
Um ganz sicher zu sein, klärt die Teilnahme der überbetrieblichen Auszubildenden im Vorfeld mit dem BR/PR und beantragt im Zweifel deren Teilnahme an der JA-Versammlung, damit alle Auszubildenden sich informieren und mitreden können.

Bei der überbetrieblichen Ausbildung ist es besonders wichtig, dass die JAV´en der verschiedenen Betriebe und unternehmensübergreifenden Ausbildungsverbunde vernetzt sind und gut zusammenarbeiten. Denn nur so können Probleme von Auszubildenden schnell gelöst werden und eine einheitlich hohe Ausbildungsqualität in allen Betrieben gewährleistet werden.

Unklarheiten?

Falls die Auszubildenden mit einem Problem zu euch kommen, solltet ihr davor prüfen ob ihr rechtliche Handlungsmöglichkeiten habt. Ihr solltet aber in jedem Fall versuchen ihnen helfend zur Seite zu stehen und könnt auch hier Unterstützung vom BR/PR und ver.di erhalten.
Egal ob wahlberechtigt oder nicht: man sollte immer ein Auge auf die Qualität der praktischen Einarbeitung aller Auszubildenden haben und sich für diese stark machen, beispielsweise wenn Ausbildungspläne mangelhaft sind oder es Probleme mit Ausbildern und der Versorgung mit Lehrmitteln gibt.

Interessensvertretung ist in jeder Ausbildungsform möglich und wichtig! Denn nur gemeinsam, könnt ihr eure Interessen in den Betrieben und Bildungswerken durchsetzen. Sprecht bei Fragen einfach eure ver.di-Jugendsekretär*innen vor Ort an. 

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