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ver.di Jugend

FAQ zu Corona für die JAV-Arbeit

Die Corona-Pandemie ist eine der größten Herausforderungen, vor denen die Welt seit langem gestanden hat. Sie beeinträchtigt alle unsere Lebensbereiche, die Wirtschaft und unsere Arbeitswelt. Sie dauert länger als wir zu ihrem Beginn hofften. Wir befinden uns in einer Situation, für die wir keine Routinen haben. Noch immer gibt es keine Planungssicherheit, auch wenn wir dem Ende der Pandemie näherkommen. Umso wichtiger ist es, dass alle Akteur*innen in den Betrieben und Dienststellen solidarisch und fair miteinander umgehen und möglichst gemeinsam Lösungen für aufkommende Probleme finden. In dieser Zeit ist folglich ein verantwortlicher Umgang miteinander vonnöten und auch die Durchsetzung von Rechten und Pflichten muss sich in einem angemessenen Verhältnis bewegen.

Im Folgenden stellen wir einige Antworten auf häufige Fragen zum Umgang mit Corona für Jugend- und Auszubildendenvertretungen zur Verfügung. Diese Antworten können nicht alle betrieblichen Gegebenheiten berücksichtigen. Außerdem kann sich die rechtliche Situation schnell ändern, wenn beispielsweise neue Gesetze erlassen bzw. bestehende Gesetze geändert werden. Die folgenden FAQ werden von uns laufend aktualisiert.

Solltet ihr Probleme oder individuelle Fragen haben, könnt ihr euch an eure ver.di Jugend vor Ort wenden. 

1. Kann die Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) weiterarbeiten und beispielsweise JAV-Sitzungen halten?

Zur Eindämmung der Corona-Pandemie werden immer wieder drastische Einschränkungen für das öffentliche Leben beschlossen, die auch die Arbeit in Betrieben und Dienststellen unterschiedlich stark betreffen; in jedem Fall aber viele Fragen an die betrieblichen Interessenvertretungen mit sich ziehen. Ob JAV-Sitzungen als Präsenzsitzungen erforderlich sind, gilt es auch vor dem Hintergrund der Eindämmung der Pandemie zu beurteilen. Da die JAV jedoch teilweise gemeinsam mit den anderen betrieblichen Interessenvertretungen in dieser Zeit besonders gefordert ist, darf und muss sie in diesen Fällen weiterhin arbeiten.  Daher kann es weiterhin erforderlich sein, Sitzungen abzuhalten und ggf. auch zu reisen. Dies darf der Arbeitgeber nicht verhindern. Dies gilt auch im Fall einer etwaigen Betriebsschließung. Die JAV-Mitglieder sind auch während der Corona-Krise im erforderlichen Maß von ihrer Tätigkeit freizustellen.

2. Sind wirksame Beschlüsse auch außerhalb von Sitzungen (Videokonferenz, Telefonkonferenz, Umlaufverfahren) möglich?

Der Gesetzgeber hat mit § 129 BetrVG eine gesetzliche Sonderregelung für die Möglichkeit von Videokonferenzen geschaffen. Diese gilt für Gremien nach BetrVG und gilt vorerst befristet bis zum 30. Juni 2021. Eine vergleichbare Regelung wurde in § 37 Abs. 3 BPersVG für die Personalräte und JAVen nach Bundespersonalvertretungsgesetz geschaffen. Diese gilt ebenfalls vorerst bis zum 30. Juni 2021.

Sowohl in der Novellierung des BPersVG, als auch im Betriebsrätegesetz werden hierzu weitere Regelungen getroffen. Sobald die Gesetzgebungsverfahren dazu abgeschlossen sind, werden wir genauer informieren.

Entsprechend können bis dahin Jugend- und Auszubildendenvertretungen Sitzungen per Videokonferenz abhalten, sofern insbesondere sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt keine Kenntnis nehmen können. Gerade dieser letzte Punkt könnte in der Praxis zu großen Schwierigkeiten führen. Wie festgestellt werden kann, dass wirklich niemand hinter der Videokamera zuhört, sagt der Gesetzgeber nämlich nicht.

Wichtig ist auch, dass die Möglichkeit für eine Videokonferenz genutzt werden kann (sofern die Voraussetzungen stimmen). Die JAV kann sich aber auch dafür entscheiden, Präsenzsitzungen durchzuführen. Der Gesetzgeber hat der JAV also eine weitere Möglichkeit an die Hand gegeben. Keinesfalls bedeutet dies, dass der Arbeitgeber der JAV Präsenzsitzungen verbieten kann nur, weil es die Möglichkeit der Videokonferenz gibt.

Arbeitgeber und Dienststellenleitung können schriftlich zusichern, dass sie sich im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung nicht auf die Unwirksamkeit der Beschlüsse von Betriebsräten bzw. Personalräten oder JAVen berufen. Eine solche Erklärung sollte man annehmen, obwohl auch dies nicht zu einer hundertprozentig rechtssicheren Beschlussfassung führt. Sollte es nämlich zu gerichtlichen Beschlussverfahren kommen, könnte das Arbeitsgericht von sich aus die Wirksamkeit der Beschlüsse prüfen (Untersuchungsgrundsatz).

Bevor die Entscheidung zu JAV-Sitzungen mit Video- oder Telefontechnik erfolgt, sollten also alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um vielleicht weiterhin Präsenzsitzungen entsprechend den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts abhalten zu können (Sitzungsraum groß genug, um genügend Abstand zu halten usw.). Stehen solche Räume nicht zur Verfügung, könnten zunächst Vorbesprechungen zu Sitzungen via Telefon oder Videokonferenz durchgeführt werden. 

Für Fälle, bei denen eine klassische Sitzung nicht möglich ist, findet ihr unter folgendem Link die wichtigsten Eckpunkte über rechtswirksame Beschlussfassungen von Betriebsräten in der Covid-19-Pandemie außerhalb von Präsenzsitzungen aufgelistet. Sicher ist dies aufgrund betrieblicher Gewohn- und Gepflogenheiten oder auch unterschiedlicher technischer Standards in den Unternehmen und Betrieben nicht immer eins zu eins übertragbar.
 
3. Können Jugend- und Auszubildendenversammlungen (JA-Versammlungen) stattfinden?

Wie bereits oben beschrieben, müssen in der Gesellschaft alle Maßnahmen ergriffen werden, um die Verbreitung der Corona-Pandemie einzugrenzen. Wir empfehlen, keine JA-Versammlungen in Präsenz stattfinden zu lassen, bis es zu einer neuen Bewertung der Kontaktsperren und Einschränkungsmaßnahmen kommt.  Für Gremien nach dem BetrVG gibt es nach § 129 Abs. 3 BetrVG die Möglichkeit, digitale Versammlungen durchzuführen. Es handelt sich um eine Entscheidung der JAV bzw. des Betriebsrats, ob die digitale Form oder eine Präsenzveranstaltung bevorzugt wird. Die Regelung ist vorerst bis zum 30. Juni 2021 befristet. Für das BPersVG gibt es keine entsprechende Regelung für digitale Personalversammlungen. 
 
4. In welchen Fällen ist der Urlaub von Auszubildenden mitbestimmungspflichtig?

Der Betriebs- oder Personalrat hat in Zusammenarbeit mit der JAV auch bei den konkreten Urlaubsplänen und der Nichteinigung über Urlaub zwischen Arbeitgeber/Dienststelle und Beschäftigten mitzubestimmen (§ 87 Abs. 1, Nr. 5 BetrVG; § 75 Abs. 3 Nr. 3 BPersVG). Dem Arbeitgeber/der Dienststelle ist hier ein einseitiges Handeln untersagt.

Sollte es zu keiner Einigung kommen, wäre bei Betriebsräten (§ 87 Abs. 2 BetrVG) die Einigungsstelle zuständig.
Sollte es bei Personalräten nach BPersVG zu keiner Einigung kommen, wäre das Mitbestimmungsverfahren, an dessen Ende ebenfalls die Einigungsstelle steht, durchzuführen (§ 69 BPersVG). Zudem darf bereits genehmigter Urlaub nicht einfach gestrichen werden. Ein sogenannter „Widerruf“ des Urlaubs ist also auf echte Ausnahmefälle (z.B. Elbehochwasser und andere Katastrophen) begrenzt.

5. Hat die JAV bei den Urlaubsplänen Stimmrecht?

Ob die JAV ein Stimmrecht hat, bestimmt sich nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 67 BetrVG; § 40 Abs. 1 BPersVG) und dem konkreten Abstimmungsthema. Sollten ausdrücklich die Urlaubspläne für Auszubildende zur Abstimmung stehen, darf die JAV mit abstimmen. Sollte es um eine allgemeine Betriebs-/Dienstvereinbarung handeln, bei der die Auszubildenden nur einen kleinen Teil der Betroffenen sind, hat die JAV kein Stimmrecht. Sie kann und sollte sich aber natürlich beratend an die Diskussion beteiligen.
 
6. In welchen Fällen sind die Arbeitszeiten von Auszubildenden mitbestimmungspflichtig?

Die betrieblichen Interessenvertretungen haben hinsichtlich der zeitlichen Lage der Arbeitszeit ein Mitbestimmungsrecht und damit auch ein Initiativrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG bzw. § 75 Abs. 3, Nr. 1 BPersVG. Grundsätzlich kann der Betriebsrat/Personalrat daher verlangen, dass der Arbeitgeber mit ihm etwa über einen Vorschlag zu flexiblen Arbeitszeiten verhandelt. Kommt eine Einigung nicht zustande, kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen, die dann verbindlich entscheidet, bzw. der Personalrat das Mitbestimmungsverfahren einleiten.

Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, ob es nicht schon Betriebs- oder Dienstvereinbarungen zu dem Thema Arbeitszeit gibt. Diese sind erst einmal für die Betriebsparteien verbindlich. An den Arbeitszeitregelungen im Tarif- oder Ausbildungsvertrag ändert sich durch die Corona-Krise nichts. Ebenso gilt das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) weiter. Zudem haben Aufsichtsbehörden die Möglichkeit (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG), für bestimmte Branchen die Arbeitszeitgrenzen auszuweiten.

Wenn es zu geänderten Arbeitszeiten kommt oder Überstunden angeordnet werden sollen, sind die betrieblichen Interessenvertretungen zu beteiligen. Eine Beschäftigung von Auszubildenden, die über die vereinbarte regelmäßige tägliche oder wöchentliche Ausbildungszeit hinausgeht, ist nach Berufsbildungsgesetz (BBiG) nur ausnahmsweise zulässig und besonders zu vergüten (§ 17 Abs. 3 BBiG).
 
JAVen sollten beachten, dass die Mitbestimmung nach den Landespersonalvertretungsgesetzen (LPersVG) unterschiedlich ausgestaltet ist. In vielen Bundesländern gibt es mittlerweile Gesetze, Verordnungen oder auch nur Rundschreiben, wie die Arbeitsfähigkeit der Personalräte in der Zeit der Corona-Krise weiter im Sinne der jeweiligen LPVG aufrechterhalten werden soll. Falls Rückfragen über individuelle Regelungen bestehen sollten, können sich JAVen an ihre ver.di Jugend vor Ort wenden.
 
7. Dürfen Auszubildende im Homeoffice arbeiten?

Diese Frage ist nicht einfach beantwortet, denn natürlich steht momentan der Gesundheitsschutz und die Verhinderung der Ausbreitung des Corona-Virus im Vordergrund. Andererseits brauchen Auszubildende die praktische Ausbildung, um das Ausbildungsziel erreichen zu können. Nicht zuletzt dürfen Auszubildende auch während einer Pandemie nicht als billige Arbeitskraft ausgenutzt werden.

Der Ausbildungsbetrieb hat nach § 14 BBiG eine Pflicht, Auszubildende auszubilden. Das heißt, dass der Ausbildungsbetrieb alle Mittel ausschöpfen muss, um die Ausbildung auch weiterhin zu gewährleisten. In der Regel kann eine Ausbildung nicht vom Homeoffice ausgeübt werden, da die Vermittlung von ausbildungsrelevanten Tätigkeiten und Qualifizierung eine Anleitung erfordern.
§ 28b Abs. 7 Infektionsschutzgesetz sieht nunmehr vor, dass der Arbeitgeber im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anbieten muss, die Tätigkeiten in der Wohnung auszuführen. Das Angebot darf nur dann unterbleiben, wenn zwingende betriebliche Gründe entgegenstehen, z.B. weil zwingend im Betrieb noch Ausbildungsinhalt vermittelt werden muss.

Sollte eine Homeoffice-Regelung für Auszubildende notwendig sein, da der Betrieb/die Dienststelle beispielsweise zum Schutz vor einer Corona-Ausbreitung geschlossen wurde, sollten JAVen prüfen, ob Maßnahmen eingefordert werden können, die eine Aufrechterhaltung der Ausbildung sicherstellen. Denn in der jetzigen Situation ist Flexibilität und Kreativität gefragt, um Lösungen zu finden, die sowohl für Auszubildende als auch für Ausbilder*innen geeignet sind. Es sollte geprüft werden, ob eine praktische Ausbildung beispielsweise auch durch Videokonferenzen oder alternative Lernmöglichkeiten gewährleistet werden kann. Es sollte geregelt werden, wie die praktische Ausbildung auch im Homeoffice gestaltet werden kann. Auch die Vollfreistellung der Ausbilder*innen kann erforderlich sein, um die Lerngruppen zu verkleinern oder ausgefallenen Stoff zügig aufarbeiten zu können. Kurzarbeit für Ausbilder*innen sollte zugunsten vermehrter Ausbildungstätigkeit vermieden werden. Hierbei kommt es natürlich auf den jeweiligen Ausbildungsberuf und die technische Ausstattung der Ausbildungsbetriebe an.

Sollten in der aktuellen Situation weiterhin eine Ausbildung und Anleitung im Betrieb bzw. der Dienststelle aufrechterhalten werden können, müssen jedoch die vorgeschriebenen Hygiene- und Schutzmaßnahmen der SARS-Cov-2-Arbeitsschutzregel (derzeit befristet bis zum 30. Juni 2021) sowie der SARS-Cov-2-Arbeitsschutzverordnung. Daher sollten JAVen ein besonderes Augenmerk darauflegen und auf deren Einhaltung hinwirken.

Betriebsräte haben ein Initiativrecht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, und Personalräte nach § 75 Abs. 3, Nr. 11 BPersVG, wenn sie eine Einführung von Homeoffice ausdrücklich vor dem Hintergrund des Gesundheitsschutzes beantragen.

8. Kann für Auszubildende Kurzarbeit angeordnet werden?

Grundsätzlich darf für Auszubildende keine Kurzarbeit angeordnet werden. Der Ausbildungsbetrieb ist dazu verpflichtet, alle Mittel auszuschöpfen, um die Ausbildung weiter zu gewährleisten. Erst wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, kann Kurzarbeit auch für Auszubildende in Frage kommen. Jedoch haben sie weiterhin Anspruch auf eine volle Ausbildungsvergütung (gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 BBiG) für mindestens sechs Wochen.
 
Für praxisintegrierte duale Studierende kann – sofern sie sich in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis befinden und unter Berücksichtigung der sonstigen Voraussetzungen – Kurzarbeit eingeführt und Kurzarbeitergeld beantragt werden. Auch dies sollte bei der Bezuschussung von Kurzarbeit z.B. in Betriebs-/Dienstvereinbarungen beachtet werden.
 
9. Können Auszubildende zuhause bleiben, wenn aufgrund des Corona-Virus die Betreuungseinrichtung des eigenen Kindes geschlossen hat oder kein Anspruch auf Notbetreuung besteht? Bekommen sie weiterhin ihr Geld?

Wenn trotz aller Bemühungen keine Betreuung der eigenen Kinder sichergestellt werden kann, haben auch Auszubildende das Recht, die Leistung zu verweigern. Für die Vergütung gilt der §19 Abs. 1 Nr. 2b des BBiG. Hier ist geregelt, dass Auszubildende bis zu einer Dauer von 6 Wochen weiterhin ihre Ausbildungsvergütung vom Ausbildungsbetrieb erhalten, wenn sie unverschuldet verhindert sind, ihre Pflichten aus dem Ausbildungsverhältnis zu erfüllen. Vorausgesetzt ist hier natürlich, dass alle zumutbaren Möglichkeiten zur anderweitigen Kinderbetreuung ausgeschöpft sind. In dem Fall sollten Auszubildende schnellstmöglich ein Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen. Außerdem kann auch über die Möglichkeit von Online-Unterricht oder Videokonferenzen für die betreffenden Auszubildenden nachgedacht werden, falls die Betreuungssituation dies zulässt. Die betrieblichen Interessenvertretungen können hier hilfreich zur Seite stehen. Auch Kinderkrankengeld gem. § 45 Abs. 2a Satz 3 SGB V ist in dieser Zeit denkbar, der Anspruch ist aber geringer.

Eine Notfallbetreuung ist für die so genannten systemrelevanten Berufe gesichert. Die genauen Regelungen dazu sind allerdings nicht bundeseinheitlich und können ggf. kurzfristig geändert werden. Aus diesem Anspruch leitet sich jedoch nicht ab, dass Auszubildende in systemrelevanten Bereichen als Vollzeitarbeitskraft tätig seien bzw. angesehen werden dürfen. Denn trotz der Corona-Pandemie dürfen Auszubildende nur ihrem Ausbildungsstand angemessene Tätigkeiten verrichten. Es muss weiterhin gewährleistet werden, dass das Ausbildungsziel innerhalb der vorgesehenen Zeit erreicht werden kann.

10. Können Mitbestimmungsrechte der betrieblichen Interessenvertretungen aufgrund der derzeitigen Corona-Lage ausgesetzt oder eingeschränkt werden?

Grundsätzlich gelten die Mitbestimmungsrechte von JAVen und Betriebs- bzw. Personalräten auch in Krisensituationen. Das Bundesarbeitsgericht hat für Betriebsräte entschieden, dass die Mitbestimmungsrechte auch bei so genannten Eilfällen bestehen bleiben. Eilfälle sind dadurch gekennzeichnet, dass eine Regelung möglichst umgehend erfolgen muss. Der Arbeitgeber darf in diesen Fällen im Bereich der sozialen Angelegenheiten (§ 87 Abs. 1 BetrVG) ohne die Beteiligung des Betriebsrates keine (vorläufigen) einseitigen Anordnungen treffen.
Entsprechend dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit kann es aber sinnvoll sein, dass der Betriebsrat in Eilfällen unverzüglich eine Sitzung einberuft (ggf. unter telefonischer Ladung). Dies ist etwa denkbar bei dringend gebotenen Regelungen zum Gesundheitsschutz oder zum Ordnungsverhalten im Betrieb.

Allenfalls bei so genannten Notfällen sollen einseitige Anordnungen im Bereich der sozialen Angelegenheiten möglich sein. Notfälle sind plötzlich auftretende, unvorhersehbare und schwerwiegende Ereignisse mit höchstem Gefahrenpotential (z. B. Brand oder Überschwemmung im Betrieb). Die meisten Maßnahmen wegen Corona sind Eil- und keine Notfälle, so dass der Arbeitgeber auch hier keine einseitige Anordnungen treffen darf.

Etwas anders ist es bei den so genannten personellen Einzelmaßnahmen (z.B. dringend gebotene Einstellungen bei plötzlich auftretendem Personalausfall). Hier sind vorläufige arbeitgeberseitige Maßnahmen zulässig, wobei der Betriebsrat trotzdem nach den §§ 99 u. 100 BetrVG zu beteiligen ist.

Bei Personalräten nach BPersVG hat die Dienststelle zwar die Möglichkeit vorläufige Maßnahmen nach § 69 Abs. 5 BPersVG zu treffen, sofern die „Maßnahmen der Natur nach keinen Aufschub dulden“. Allerdings muss auch dort das Mitbestimmungsverfahren eingeleitet bzw. fortgesetzt werden. Die Mitbestimmung gilt also weiterhin mit der Konsequenz, dass am Ende des Mitbestimmungsverfahren evtl. die Maßnahme der Dienststelle wieder aufgehoben werden muss.

Bei der Schließung eines Betriebes durch die behördliche Anordnung von Quarantäne gemäß § 30 Infektionsschutzgesetz (IfSG) besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebs- oder Personalrates. Maßnahmen, die Folge der Betriebsschließung sind, unterfallen dagegen der betrieblichen Mitbestimmung. Wichtig ist, dass die Betriebsparteien kurzfristige betriebliche Lösungen und Regelungen treffen, um auch die Interessen der Beschäftigten zu wahren.

11. Welche Vorsorgemaßnahmen muss mein Arbeitgeber ergreifen, um Auszubildende vor Corona zu schützen?

Der Arbeitgeber hat gegenüber seinen Beschäftigten eine arbeitsvertragliche Schutz- und Fürsorgepflicht. Deshalb muss er dafür sorgen, dass Erkrankungsrisiken und Gesundheitsgefahren im Betrieb so gering wie möglich bleiben. Die Grundpflichten des Arbeitgebers ergeben sich aus § 3 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Je nach Art des Betriebes – etwa in einem Betrieb mit viel Kundenkontakt – kann aus der Schutzpflicht eine konkrete Verpflichtung, z.B. Desinfektionsmittel zur Verfügung zu stellen, folgen. Zudem sind Arbeitgeber verpflichtet, ihre Beschäftigten in Bezug auf die einzuhaltenden Hygienemaßnahmen und Schutzvorkehrungen zu unterweisen. Das bedeutet, dass den Beschäftigten erklärt werden muss, wie sie Ansteckungsrisiken minimieren. Sie können z.B. zum regelmäßigen Händewaschen angehalten werden.

Oberstes Gebot für alle, die nicht zu Hause bleiben können und ihre Arbeit auch während der Corona-Epidemie an ihrem Arbeitsplatz im Betrieb erledigen müssen: Sich so gut wie möglich vor einer Infektion schützen. Damit das gelingt, muss der Betriebsrat/Personalrat mit dem Arbeitgeber schnell Maßnahmen zur Sicherheit und zum Gesundheitsschutz vereinbaren. Den rechtlichen Rahmen für den Infektionsschutz im Betrieb bilden die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung und der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard (zum Beispiel unter www.baua.de). Beide Regelwerke gelten nebeneinander und sind durch die Mitbestimmung im Betrieb praktisch umzusetzen. Bei der Auswahl von Maßnahmen, die die Sicherheit und den Gesundheitsschutz betreffen, hat der Betriebsrat/Personalrat mitzubestimmen. Rechtsgrundlage hierfür ist § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i. V. m. § 3 ArbSchG bzw. §§ 75 Abs. 3 Nr. 11; 70 Abs. 1 BPersVG. Danach hat der Betriebs- bzw. Personalrat ein Initiativrecht und ist auch verpflichtet, dieses zu nutzen, falls der Arbeitgeber untätig ist.

Die JAV kann im Rahmen ihrer allgemeinen Aufgaben Maßnahmen des Gesundheitsschutzes bei dem Betriebs- oder Personalrat beantragen.

12. Müssen JAVen etwas Besonderes beachten bei der Beratung/Unterstützung minderjähriger Kolleg*innen?

Grundsätzlich unterliegen Minderjährige im Arbeitsleben besonderen Schutzmaßnahmen durch das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG). So dürfen sie nicht mit Arbeiten beschäftigt werden, die sie gefährlichen Mikroorganismen aussetzen, welche Infektionen hervorrufen könnten. Hierzu zählt auch das Virus SARS-CoV-2, das unter die Biostoffverordnung fällt. Arbeitgeber müssen gemeinsam mit Betriebs- bzw. Personalrat die Gefährdungen, die durch das Virus am Ausbildungsplatz entstehen können, beurteilen und geeignete Maßnahmen ergreifen, um die Jugendlichen zu schützen.
Minderjährige dürfen nicht länger als 8 Stunden täglich und 40 Stunden wöchentlich beschäftigt werden (§ 8 JArbSchG). Außerdem müssen die Ruhepausen von 60 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden eingehalten werden (§ 11 JArbSchG) und sie dürfen nicht nachts, an Wochenenden und nur eingeschränkt an Feiertagen arbeiten, außerdem muss für sie die 5-Tage-Woche eingehalten werden. Bestimmte Berufsgruppen – beispielsweise Beschäftigte in Krankenanstalten – sind von einigen Regelungen ausgenommen.

13. Welche Möglichkeiten hat die JAV eine Verlängerung der Ausbildung zu erwirken?

Der Ausbildungsvertrag endet mit Ablauf der im Vertrag vereinbarten Zeit automatisch und somit auch die Verpflichtung des Arbeitgebers Ausbildungsvergütung zu zahlen. Sollte das Ausbildungsende durch die Terminverschiebung nun nach der Abschlussprüfung liegen, können Auszubildende schriftlich eine Verlängerung der Ausbildung bei ihrem Arbeitgeber beantragen. JAVen könnten hierzu in Zusammenarbeit mit Betriebs- bzw. Personalrat eine kollektive Regelung mit dem Arbeitgeber/ der Dienststelle anstreben. Möglich wäre z.B. eine freiwillige Betriebs- oder Dienstvereinbarung, bei der sich der Arbeitgeber verpflichtet, den Ausbildungsvertrag für alle Auszubildenden bis zu dem tatsächlichen Ende der Berufsausbildung (Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses) zu verlängern. Hieraus hätten dann die Auszubildenden einen klaren, einklagbaren Anspruch.

Trotz der Corona-Pandemie haben die Berufsschule und der Arbeitgeber weiterhin die Aufgabe, die Erreichung des Ausbildungsziels in der vereinbarten Zeit sicher zu stellen. Die Situation darf keinesfalls dazu führen, dass sich die Dauer der Ausbildung verlängert, weil die Ausbildungsinhalte nicht vermittelt wurden.

14. Müssen Auszubildende nun ausbildungsfremde Tätigkeiten ausführen?

Auszubildende dürfen nur Tätigkeiten übertragen bekommen, die dem Ausbildungszweck dienen, gemäß §14 Abs. 2 BBiG. Daran hat sich auch durch die Corona-Pandemie nichts geändert. Einige Tätigkeiten sind deutlich als ausbildungsfremd zu erkennen und andere nicht sofort. JAVen sollten nach §70 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG darüber wachen, dass die geltenden Gesetze, Verordnungen usw. eingehalten werden und können in Verbindung mit dem Ausbildungsrahmenplan erkennen, welche Tätigkeiten nicht dem Zweck der Ausbildung dienen. In der jetzigen Situation sollten jedoch alle Beteiligten mit Augenmaß bewerten, ob nicht einzelne Tätigkeiten zur Aufrechterhaltung des Betriebes/ der Dienststelle dienen können, auch wenn diese nicht explizit dem Ausbildungsrahmenplan entnommen werden können. Dabei kann man sich möglicherweise danach richten, ob diese Tätigkeiten von allen Arbeitnehmern durchgeführt werden oder explizit nur Auszubildende übernehmen sollen.
 
15. Gelten die Übernahmezusagen von Auszubildenden weiterhin?

Bestehende Dienst- bzw. Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge zur Übernahme behalten weiterhin ihre Gültigkeit und schützen auch in dieser Krisensituation. Auch behalten bereits getätigte Übernahmevereinbarungen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 BBiG) ihre Wirksamkeit.
 
16. Welche Regelungen betreffen dual Studierende?

Bei den dual Studierenden muss zwischen den unterschiedlichen Studienformen differenziert werden. Sofern es sich um ein ausbildungsintegriertes Studium handelt, ist das beispielsweise das BBiG bzw. das entsprechende Ausbildungsgesetz einschließlich des besonderen Kündigungsschutzes anwendbar. Für ein praxisintegriertes Studium ist nach derzeitiger Rechtsprechung (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 29.01.2019, 5 Sa 105/18) das BBiG in Gänze nicht anwendbar, wenn die praktische Tätigkeit Teil des Studiums ist und durch eine auf dem Hochschulgesetz beruhende Studien- oder Prüfungsordnung staatlich anerkannt ist. Dies bedeutet, dass auch die besondere Entgeltfortzahlung nach § 19 BBiG für das praxisintegrierte Studium nicht erfolgt. Auf jeden Fall lohnt sich ein Blick in die abgeschlossenen Verträge, um mögliche Ansprüche rechtzeitig geltend zu machen.
 
17. An wen wende ich mich, wenn es Probleme oder individuelle Fragen gibt, die hier nicht aufgeführt werden?

Ihr könnt euch an eure ver.di Jugend vor Ort wenden.

Weitere Information für Auszubildende rund um Corona findet ihr in diesem Artikel: "FAQ zu Corona für Auszubildende". Auszubildende im Gesundheitswesen finden in diesen FAQs des Fachbereichs Gesundheit & Soziales zusätzliche Antworten. Informationen rund um die Ausbildung in Gemeinden stellt der Bundesfachbereich Gemeinden zur Verfügung. Und auch der Fachbereich Bund und Länder informiert zur aktuellen Lage.

18. Welche Handlungsmöglichkeiten haben JAVen, um die Rahmenbedingungen des Testens im Betrieb zu beeinflussen?

Alle Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sind mitbestimmungspflichtig, soweit sie nicht abschließend geregelt sind. Rechtsgrundlage sind § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i. V. m. § 3 ArbSchG bzw. §§ 75 Abs. 3 Nr. 11; 70 Abs. 1 BPersVG.

Die Regelungen zu den Tests sind nicht abschließend: Allen Beschäftigten, die nicht ausschließlich in ihrer Wohnung arbeiten, muss der Arbeitgeber mindestens zwei Tests je Woche anbieten, § 5 Corona-ArbSchV. Wie viele Tests es tatsächlich sind, ob sie als Selbsttests, durch geschultes Personal oder einen externen Anbieter durchgeführt werden, ob zu Beginn der Arbeitszeit oder ob die Arbeitszeit etwas nach vorne gezogen wird, damit der Arbeitsplatz nach dem Testergebnis zum selben Zeitpunkt wie immer aufgesucht werden kann, all dies ist mitbestimmungspflichtig. Verdi geht davon aus, dass der Test dazu dient, dass der Ausbildende seine Testpflicht erfüllt. Die Testung ist also zumindest auch fremdnützig. Damit ist die Zeit, die für die Testung insgesamt aufgewendet wird, Arbeitszeit. Auch dies kann im Rahmen des Mitbestimmungsverfahrens klargestellt werden.

Es handelt sich um Testangebote. Eine Testpflicht darf durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung nicht eingeführt werden. Dabei ist immer zu bedenken, dass Tests nur ein ergänzender Schritt sind, um die vorrangigen (!) technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Schutzes am Arbeitsplatz zu ergänzen. Nicht zuletzt sollte die Frage, wie mit den Testergebnissen verfahren wird, unbedingt datenschutzkonform beantwortet und geregelt werden.

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